Sommerzeit = Urlaubszeit

Hallo Allerseits

Es ist schon eine Weile her, dass ihr von mir gehört habt. Ich verkaufe meine lange Abwesenheit einfach mal als „Sommer-Auszeit“. Auch wenn das nicht so ganz stimmt, klingt es doch sehr gut und entschuldigt hoffentlich meine Schreibfaulheit. 🙂

Es war ja eigentlich auch ganz schön eine so lange Schreibpause einzulegen, wenn denn nicht die Zeit trotzdem gerannt wäre und gegen mich gearbeitet hätte. Ich muss euch ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich erstmal selber meinen Blog lesen musste um mich auf Stand zu bringen… tue ich deshalb auch nicht.

Aber, es geht weiter! Here we go: Anfang Mai hatte ich mein Aufklärungsgespräch bei der Onkologie für das Arzneimittel Cemiplimab (Handelsname: LIBTAYO), welches ich nun bekommen sollte. In der Schweiz ist das Mittel seit Mai 2020 (zunächst befristet für zwei Jahre) und in Deutschland seit Juni 2021 für Erwachsene zugelassen, die an einem örtlich fortgeschrittenen oder metastasierenden Hautkrebs erkrankt sind. Also ist das Mittel fast schon alt!
Kaum ist ein Medikament auf dem Markt, laufen bereits weitere Studien und so stellte sich in 2022 heraus, dass das Zeug auch bei fortgeschrittenem Gebärmutterhalskrebs sehr wirksam sein kann. Also her mit dem Zeug!

Die Latte an möglichen Nebenwirkungen war enorm. Der Arzt klärte mich darüber auf, was mir alles blühen konnte – beendete seinen Vortrag aber mit den Worten „in der Regel wird das Medikament gut vertragen“. Ich wusste nicht so recht, was ich von diesen Erläuterungen halten sollte. Erst hiess es „schlimm, schlimmer, noch schlimmer“ und dann „ach, passiert selten“. (Das war nicht ganz seine Wortwahl). Dass er mich zum Schluss unseres Gespräches dann noch fragte, ob ich die Notfallnummer des USZ notiert habe und mir ein Rezept in DIN A4-Grösse (gegen diverse möglichen Nebenwirkungen) mit auf den Weg gab, liess nicht gerade Vorfreude auf die morgen beginnende Therapie aufkommen. Tja, Versuch macht klug! Ganz sicher konnte ich mir sein, dass die sehr häufige Nebenwirkung – die Beeinträchtigung der Schilddrüse – mir nicht passieren konnte. Meine Schilddrüse war schon tot, das hatte das Vorgängermedikament (Pembrolizumab) erledigt. Ätsch!

Am nächsten Tag ging ich ins USZ am Flughafen Zürich (Circle) und erwartet mit gemischten Gefühlen meine Therapie. Als erstes kam eine Ärztin angetrappelt. Das machen die immer so, die schauen, ob der Patient fit ist für eine Therapie. Sie fragte mich, ob ich gut aufgeklärt worden sei. Das machte mich schon etwas stutzig. Warum fragte die sowas? Ohne vorherige Aufklärung hätte ich es heute nicht bis auf diesen Stuhl hier geschafft. Und dann kam es wieder „Haben Sie eine Telefonnummer für den Notfall?“. Notfall? Ich hatte nicht vor im Notfall zu enden. Himmel, was wollten die mir hier verabreichen? Sie faselte irgendwas von Atemnot mitten in der Nacht…

Ich war eigentlich nie zart besaitet, was die Therapien anging, aber wenn man an zwei Tagen hintereinander und von unterschiedlichen Ärzten nach der Telefonnummer für den Notfall gefragt wird, irritiert das doch schon enorm! Sie ging weg und kam wenig später mit der Telefonnummer für den Dienstarzt der Gynäkologie zurück. Ich speicherte die Nummer brav in meinem Telefon unter „Dienstarzt Gynäkologie USZ“ ab und markierte den Eintrag noch mit einem Sternchen als Notfallkontakt. Damit war ich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Es konnte also losgehen.
Die Dame von der Pflege, die mit der Verabreichung der Infusion beauftragt war, hatte das Gespräch mit der Ärztin mitgehört. Sie meinte deshalb zu mir, ich müsse mir keine Sorgen machen, sie kenne sehr viele Patienten die dieses Mittel bekommen – allerdings alles Hautkrebspatienten und eigentlich alle über 80. Die würden es recht gut vertragen. Dass dieses Mittel auch bei Gebärmutterhalskrebs zugelassen ist, war ihr jedoch neu. Ich konnte diese Wissenslücke schnell schliessen: es ist (noch) gar nicht zugelassen. 🙂 Sie gab mir ein kleines Faltblatt über das Libtayo (fürs Portemonaie). Falls ich mal irgendwo Probleme habe, könnte ich das zücken und meinem Gegenüber zeigen was ich für eine Therapie erhielt. Ich steckte das Faltblatt ein, wer wusste schon, ob ich es je brauchen würde? Und überhaupt: auf dem Blatt waren die gängigsten Nebenwirkungen stark zusammengefasst. Informativ, aber schon gleich viel weniger bedrohlich. 🙂

Die erste Therapie überstand ich gut – anders hatte ich das auch irgendwie gar nicht erwartet. Ich war bekanntlich nicht der Typ für Nebenwirkungen. Es passierte gar nix und so reiste ich erstmal fröhlich nach Osnabrück und liess mir die Maiwoche gefallen. Ich war die letzten Jahre nicht auf der Maiwoche, da wir normalerweise zu dieser Zeit in den Wanderferien waren. Was soll ich sagen? Toll war es! Freunde getroffen, Bier getrunken, Musik gehört… richtig klasse!

Anfang Juni erhielt ich die zweite Dosis meiner neuen Therapie und diesmal liessen die Nebenwirkungen nicht so lange auf sich warten: eine Woche später hatte ich plötzlich Muskelschmerzen. Ich dachte erst an Muskelkater, weil ich am Wochenende in Osnabrück mit Freundinnen eine Velotour gemacht hatte. Allerdings hielt ich mich nicht für so unsportlich, dass ich den Muskelkater vom Radfahren erst einige Tage später merken würde…. Auf meinen Armen entwickelte sich nebenbei so langsam aber sicher Ausschlag und meine Augen begannen zu tränen. Ausserdem war ich ziemlich schlapp und müde und bemerkte fieses Sodbrennen. Ein Blick in das kleine Faltblatt zum Libtayo verriet, dass diese Dinge vermutlich mit der Therapie zusammenhingen und so kontaktierte ich umgehend meinen Gynäkologen. Alles nicht so schlimm: gegen den Ausschlag benutzte ich die mir zu Anfang verordnete Creme (die von dem DIN A4-Blatt-Rezept) und gegen das leichte Sodbrennen einen Magenschutz (vom gleichen Riesen-Rezept). Die Augen waren aber übel. Sie juckten inzwischen und taten richtig weh, weshalb ich in die Augenklinik zum Konzil musste. Wie auch mein Arzt nahm ich an, dass ich dort Augentropfen mit Kortison o.ä. für einen schnellen Erfolg bekommen würde. Nachdem es mir nach diversen Telefonaten gelungen war einen Termin in der Augenklinik für den nächsten Tag zu bekommen, ging ich – voller Zuversicht das Augenproblem in Kürze im Griff zu haben – dorthin. Die ersten Untersuchungen meiner Augen gingen ruckzuck, dann musste ich jedoch eine geschlagene Stunde auf das Date mit der Ärztin warten. Sie schaute, machte Tests und entliess mich wieder ins Wartezimmer. Da von der Gynäkologie ein Konzil angefragt worden war, brauchte es die Lagebewertung eines Oberarztes. Doof: In der Augenklinik hatte es irgendwie jede Menge Assistenzärzte, aber nur 2 Oberärzte, die dann bei Bedarf die Fälle anschauen und von einem zum anderen liefen. Super! Ich wartete geschlagene 90 Minuten bis die Ärztin zu mir kam und mir mit den Worten „der Oberarzt möchte die Pupillen noch geweitet wissen“ Augentropfen verabreichte. Nach einer weiteren Viertelstunde des Wartens wurde ich in das Sprechzimmer gerufen. Ich hatte langsam die Kappe auf und fragte deshalb ohne Umschweife „Der Oberarzt will aber hoffentlich nicht noch das Ergebnis dieser neuen Untersuchung anschauen und ich muss wieder eine Stunde warten???“ Nein, musste ich nicht. Statt kurzfristig helfender Hämmerchen entschied sich die Augenklinik für eine Therapie mit Tränenersatzmittel: stündlich einen Tropfen in jedes Auge geben und für die Nacht zusätzlich noch son Gel . Ausserdem erhielt ich eine Krankschreibung für eine Woche. Ich dachte, ich höre nicht richtig! Ist schon jemals ein Mensch eine Woche krankgeschrieben worden wegen einer Augenentzündung??? Und für diesen Mist habe ich dort 3 Stunden gesessen. Danke!

Mit meinen Tropfen und Salben bewaffnet machte ich mich auf den Heimweg. Gut, hatte ich eine Sonnenbrille in der Tasche. Mit den geweiteten Pupillen hätte ich sonst bis Sonnenuntergang im Spital bleiben müssen. Die Sonne schien so stark, dass ich im Tram neben der Sonnenbrille auch noch die Hände brauchte, um meine Augen zu schützen. Die Leute guckten etwas komisch, aber wenn sie meine Augen der Verdammnis gesehen hätten, hätten sie wohl noch komischer geschaut. Zu Hause angekommen, fragte mich mein Zuckerbube Kind 1, ob ich irgendwelche krassen Drogen genommen hätte. Meine sehr weiten Pupillen liessen ihn das vermuten… Sind sie nicht süss?

Die nächsten Tage verbrachte ich mit Schlafen und Netflix. Dank des stündlichen Geträufels schaute ich permanent durch einen Tränenfilm. Zeitung lesen, Computer oder irgendas anderes sinnvolles, war gar nicht möglich. TV, das ging wohl! Nach einer Woche mit „The Crown“, „Downton Abbey“ und der ersten Staffel „Charité“ ging es meinen Augen immer noch nicht richtig gut, aber deutlich besser. Sie waren noch rot und tränten, taten aber nicht mehr weh und ich konnte am Montag wieder zur Arbeit. Eine Woche später, nach insgesamt zwei Wochen war der Spuk endlich vorbei!

Ende Juni erhielt ich die dritte Dosis und stellte noch vorher klar: falls ich wieder irgendwelche spassigen Erscheinungen feststellen sollte, würde ich die vierte Dosis verschieben! Diese sollte ich nämlich am 21.7. erhalten – exakt einen Tag bevor ich in die Ferien flog. Zum Glück blieb ich von weiteren Auffälligkeiten verschont. Ich hatte zunächst etwas Sorge, dass die Komplikationen ein Dauerzustand bleiben würden und war froh, schien es sich nur um ein einmaliges Aufbäumen zu handeln. Vielleicht war diese volle Breitseite an Nebenwirkungen ja auch ein gutes Zeichen? Immerhin schien das Mittel – anders als die Vorgänger – in meinem Körper zumindest irgendwas zu tun!

Am 22.7. war es endlich soweit: 1 Woche Ferien auf der AIDA Cosma erwarteten mich! Ich will hier gar nicht gross darüber schreiben. Es fällt mir so schwer mit vielen Neidern umzugehen. 🙂 Wer meine Whatsapp Status verfolgt hat, konnte fast hautnah erleben wie schlecht es uns auf dem Schiff mit privatem Sonnendeck, Concierge und der Aida Lounge nur für Suitengäste erging. Es war nicht einfach jeden Abend vom Heck des Schiffes aufs Meer zu glotzen und das Auslaufen aus den unterschiedlichen Häfen, ohne störende Mitreisende die die Sicht versperrten, zu erleben. Fazit: Das war sicherlich nicht meine letzte Kreuzfahrt. Es wird aber möglicherweise schwierig werden, sich bei einer zukünftigen Kreuzfahrt mit einer popeligen Balkon- oder Verandakabine zu arrangieren!

Und schon ist August und ich am Ende meines heutigen Berichtes. Am 30.8. habe ich meine vorerst letzte Gabe mit Cemiplimab (sechste Dosis) und danach geht es am 5. September ins PET-CT. Den anschliessenden Gesprächstermin habe ich am 13. September. Etwas spät, aber ich habe vorher praktisch keine Zeit.

Ihr werdet also erst Mitte September von mir hören… oder halt kurz vor Weihnachten! 🙂

Liebe Grüsse und bis hoffentlich bald
Anja

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