Hallo liebe Leserschaft
Es ist schon wieder kurz vor Weihnachten, das Jahr 2022 rast förmlich nur so an mir vorbei. Nur noch wenige Wochen, dann ist schon wieder Silvester und Neujahr. Krass!
Was ist in den letzten Wochen und Monaten passiert? Nun, Anfang Oktober war ich – wie ich ja im letzten Post sagte – wieder mal bei meinen Freunden im USZ zum PET-CT. Den Ablauf kennt ihr bereits, dazu muss ich nichts sagen. Öde war es, wie immer, aber nach knapp 2 Stunden stand ich wieder auf der Strasse und konnte nach Hause fahren. Die Aufnahme war im Kasten, jetzt galt es abzuwarten. Wie jedes Mal erwartete ich das Ergebnis mit Spannung. Ich hatte bei der Administration angegeben, dass ich bitte von allen Untersuchungsergebnissen immer eine Kopie haben möchte. Als ich einige Tage später den Umschlag mit dem Befund aus dem Briefkasten nahm, war ich mir aber nicht mehr so sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Ich öffnete den Umschlag und las – nicht gerade tiefenentspannt – den Befund. Da ich eh nicht alles verstand was dort ausführlich und detailliert geschrieben worden war, überflog ich die erste Seite nur und las was am Schluss in der Beurteilung stand. Dort wird nämlich der aktuelle Befund mit dem vom letzten PET-CT aus Juni verglichen. Dort stand dann etwas, was gar nicht so gut klang:

„Progression“ und „neu metabolisch aktiver Tumor“ waren jetzt nicht gerade die Worte, die ich mir für die Beurteilung gewünscht hatte. Dr. Google übersetze mir die ganzen Ausdrücke die mir so gar nichts sagten und so konnte ich mir ein halbwegs brauchbares Bild verschaffen. Man empfahl auf jeden Fall weitere Untersuchungen. Ich kontaktierte das USZ und bat meinen zuständigen Gynäkologen um schnellstmöglichen Rückruf. Mir war klar, dass das etwas dauern würde, weil er den Befund ja auch gerade erst erhalten hat und evtl. noch einige Sachen hinterfragen und abklären musste. Meine Laune war nach diesem Bericht jetzt nicht gerade auf einem Stimmungshoch, aber die Warterei war halbwegs auszuhalten. Das dicke Ende kam schliesslich erst noch.
Wenige Tage später, am 13.10. rief mich mein Arzt an und erwischte mich im Auto auf der Fahrt nach Osnabrück. Super Zeitpunkt. Da ich nicht selber fahren musste, war das aber kein Problem und wir hielten auch direkt am nächsten Parkplatz an. Er sagte mir, dass die Immuntherapie offenbar nicht 100 %-tig das macht was sie soll, nämlich den Kollegen dauerhaft im Zaum zu halten. Es scheint fast so als hätte mein Untermieter, nachdem er erst sehr gut auf das teure Mittel reagiert hat und sich etwas zurückgezogen hat, Resistenzen entwickelt und konnte deshalb nun wieder an Fahrt gewinnen. Lt. Befund hat er viele kleine neue Freunde gewonnen, die jetzt alle zusammen Party in mir machen. Doof ist, dass es aktuell keine Alternative zu dieser Immuntherapie gibt. Zumindest nicht in Europa, in den USA ist gerade erst was erfunden und zugelassen worden – aber das hat den Sprung über den grossen Teich noch nicht Ansatzweise geschafft. Die einzige Möglichkeit, falls man die Therapie jetzt oder später ändern muss, ist eine Chemotherapie. Dafür gibt es einige neue Mittelchen, aber eine Chemo ist halt eine Chemo. Das war eine heftige Botschaft und fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Und da waren sie schon wieder, diese vielen Gedanken und die Frage wie lange ich mit diesen Brüdern in mir wohl noch leben würde. Das war alles so unwirklich. Eigentlich hatte ich nicht den Eindruck, dass ich in meinem Freundeskreis schon verbreiten musste, dass ich Nelken selbst als Grabschmuck nicht leiden kann. Ich merkte ja noch nicht mal etwas von meinem Untermieter. Er heisst halt mit Nachnamen „Krebs“ und das alleine ist schon angsteinflössend. Wenn man dann solche Sachen hörte, versaute es einem wirklich total die Laune. Es half alles nichts, mein Fall musste erst im Tumorboard angeschaut und besprochen werden. Danach schauen wir ob man eine Änderung der Taktik überhaupt als sinnvoll erachtet. Schliesslich reden wir zwar von einer Progression, aber nicht um eine explosionsartige Vergrösserung und Vermehrung. Wir reden nach wie vor von Millimetern. Also hiess es wieder warten.
Das Tumorboard empfahl zur genaueren Abklärung ein MRI sowie eine Magen- und Darmspiegelung. Am 19.10. ging ich zum MRI, am 2.11. zur Spiegelung von Magen und Darm. Alles verlief unspektakulär, wirklich gefunden hat man nichts was dort nicht hingehört. Ein Magenödem habe ich – was immer das auch ist. Vermutlich eine Altlast von der Lymphwassergeschichte damals. Zumindest hoffte ich das. Wirklich interessiert hat es aber auch niemanden, zumindest sprach es keiner der Ärzte an. Natürlich fragte ich nach, aber eine brauchbare Erklärung hatte niemand parat. Nebensächlich, nichts schlimmes, kann man haben. Gut, haben wir drüber geprochen. Das Ende dieser ganzen Untersuchungen war, dass das Tumorboard beschlossen hat, nichts an der bisherigen Vorgehensweise zu verändern und wir in 3-4 Monaten nochmals eine Bildgebung machen, die dann hoffentlich ein anderes Ergebnis zeigt. Warum? Nun, die Patientin (also ich) ist putzmunter, quietschfidel und merkt nicht mal etwas von ihrem Krebs. Warum also mit Kanonen feuern? Damit kann ich eigentlich gut leben. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen und ich habe mit so vielen Menschen geredet, dass der erste Schuss vorn Bug aus Oktober verkraftet ist.
Vor zwei Wochen war ich zu einem Gespräch mit meinem behandelnden Oberarzt gerufen. Gespannt, ob der mir jetzt wieder was ganz anderes erzählt, ging ich voller Erwartung ins Rennen. Nein, er erzählte mir nichts anderes, allerdings schwächte er das bisher Gesagte etwas ab. In meiner Situtation und bei meinem Gesundheitszustand nur daran zu denken evtl. mit grossen Geschützen arbeiten zu wollen, sei völlig unverhältnismässig. Wie auch andere Ärzte schon sagten, geht es bei mir um Lebensqualität. Und die ist super. Deshalb müssen wir auch erstmal nichts verändern. Am 6. Februar sei ein erneutes PET-CT terminiert. Könne ich mir ja schon mal eintragen.
Da er für mein Gefühl alles sehr verharmlost hat, habe ich ihn gefragt ob er mir nicht der Einfachheit halber gleich sagen möchte, dass ich eigentlich überhaupt nichts habe. So sei es ja nun auch nicht, meinte er, aber der ungeliebte Freund sitzt „nur“ in meinem Lymphsystem. Auch son Thema mit dem ich wenig anfangen kann. Schön, sitzt er da. Aber bleibt er da? Tut er mir da wirklich nichts? Ist das wie „die schrecklichen Kinder spielen im Hof und werden erst lästig wenn sie ins Haus kommen“? Solange er nicht in meinem Blutkreislauf umzieht, ist es wohl alles „nicht so schlimm“. Das habe ich verstanden. Und dass er überhaupt in mein Blut übergeht, steht wohl völlig in den Sternen. Es gibt keine Studien die belegen, dass das passieren muss. Eine andere Patientin deren Fall im Tumorboard besprochen wurde, hat wohl ähnliche Probleme. Die rennt schon seit 7-8 Jahren mit dem Untermieter im Lymphsystem durch die Gegend. Da bin ich mit gerade mal mit 2.5 Jahren gut dran – da ist noch eine Menge Luft. Eine andere müsste lt. Statistik schon seit 10 Jahren tot sein – lebt auch noch fröhlich vor sich hin. Will sagen: eigentlich weiss man es überhaupt nicht. Das klingt jetzt etwas so, als hätte mich der Doc schnell und kurz abgefertigt. Dem ist nicht so, ich habe das Gespräch einfach zusammengekürzt.
Naja, machen wir weiter wie bisher, Zeit für irgendwelche komischen Dinge habe ich sowieso nicht. Und wer weiss schon, welche Nebenwirkungen ich mir bei einem neuen Präparat rauspicken würde? Ganz sicher diejenigen, die eigentlich fast niemand mitnimmt. Was stimmt eigentlich nicht mit mir? Irgendwas muss da doch schief gelaufen sein bei meinem Bausatz… Super ist, dass ich ab 22.12. in den Flughafen zur Therapie gehen kann. Also nicht direkt aufs Rollfeld, sondern in USZ am Flughafen. Da wollte ich schon direkt nach der Eröffnung dort, aber damals war das noch nicht möglich. Aber jetzt. Das ist super!
Was noch? Nun, für 2023 habe ich schon einige Unternehmungen geplant. Der Sommerurlaub steht, im September geht es voraussichtlich für ein paar Tage nach New York City und Karten für das Gotthard Konzert im Dezember 2023 in Zürich habe ich auch schon. Jetzt kommt erst noch Weihnachten. Ich werde über Weihnachten in Osnabrück sein. Wer mich also zu sich rufen möchte um mich reich zu beschenken und zu bekochen, ist herzlich eingeladen dieses zu tun! 🙂
Eine schöne Adventszeit und fröhliche Weihnachten
Anja