Guten Tag Allerseits
Ich weiss, ich habe länger nicht geschrieben und viele von euch haben sich deshalb schon Gedanken gemacht. Sorry dafür, es geht mir gut. Ich musste die ganze Sache mit der erneuten Chemo nur erstmal sacken lassen. In den Tagen nach dem Telefonat war viel los in meinem Kopf. Als ich am 18.2. zum persönlichen Gespräch bei meinem Arzt war, hatte ich mich mit dem Gedanken an eine Chemo schon fast arrangiert. Wir schauten uns gemeinsam meine Aufnahmen aus dem PET-CT an und er erklärte mir den dazugehörigen Bericht. In mir drin waren einige Punkte sehr gut zu erkennen. Das sind die vergrösserten Lymphknoten, die im PET-CT gut sichtbar sind. Im Bericht sind sie mit einer Grösse von ca. 13-18 mm benannt. Wir redeten also nicht über eine explosionsartige Vermehrung und Vergrösserung, aber wenn ich bedenke, dass die Chemo in 2020 fast alles geputzt hatte, ist das doch schon irgendwie ganz schön viel Zuwachs. Ein ganz komisches Gefühl, denn ich merke ja nichts von alldem. Das ist in etwa so wie wenn dir jemand sagt, dass du gleich überfahren wirst, aber du siehst gar kein Auto. Alles irgendwie sehr unrealistisch.
Die Bilder zeigten auf jeden Fall ganz klar, dass das Avastin den Untermieter nicht wirklich ausbremst und er weiter wachsen konnte. Deshalb brauchte es nun eine geänderte Vorgehensweise. Mein Arzt sagte mir, dass erst kürzlich eine Studie herausgekommen ist, die belegt, dass das neue Medikament „Pembrolizumab“ auch ohne vorherige Chemo sehr gut funktionierte und er deshalb nochmals Rücksprache mit der Onkologie halten möchte. Leichte Panik stieg in mir auf. Noch vor einer Woche war ich entsetzt darüber, dass es eine Chemo geben sollte, jetzt war ich entsetzt, weil ich keine Chemo mehr bekommen sollte. So unschön eine Chemotherapie auch ist, suggeriert sie aber doch auch „wegmachen, säubern“. Ich meine, ich behandel doch auch keinen Schimmel im Badezimmer ohne vorher den bereits vorhandenen Schimmel zu entfernen!? (Nein, mein Bad schimmelt nicht!) Wir einigten uns darauf, dass wir die Antwort von Professor Dr. P. abwarten. Sollte er aber nur die kleinsten Zweifel haben, möchte ich lieber die Chemotherapie vorweg, anstatt irgendwelche Experimente zu machen!
Es gab an dem Tag auch sehr gute Nachrichten: meine Krankenkasse hatte der Behandlung mit Pembrolizumab bereits zugestimmt und Kostengutsprache für diesen Off-Label Einsatz des Medikamentes erteilt. Immerhin etwas. Die Show konnte also beginnen. Blieb nur noch die Frage ob mit oder ohne Chemotherapie. Am frühen Abend wusste ich es: Professor Dr. P. war auch der Ansicht, dass es keine vorherige Chemo brauchte und wir direkt mit dem neuen Antikörper starten könnten. Eigentlich war das ja eine gute Nachricht, aber im ersten Moment fühlte es sich überhaupt nicht so an. Es brauchte noch ein paar Tage, bis ich diese Wendung als „gut“ annehmen konnte. Und irgendwie blieb auch noch die Restsorge, dass sie es sich nochmals anders überlegen könnten. Ich wurde für die Therapie angemeldet und erwartete meine Termine für das Aufklärungsgespräch durch die Onkologie, Blutabnahmen etc.
Um den ganzen Schrecken zu verdauen, habe ich mir vom 20. bis 26. Februar eine Woche Urlaub gegönnt. Zuerst waren wir ein paar Tage im Posthotel in Achenkirch zum Wellness und danach sind wir via Gardasee weiter nach Verona gefahren. Wellness und im Wasser planschen war schön, mir aber auch schnell zu langweilig. Zwei Tage hätten sicher gereicht, drei waren aber auch ok. Von Achenkirch aus machten wir uns auf den Weg nach Verona.
Das war sehr schön, erinnerte mich dieser Trip doch sehr an meine ersten Urlaube mit Freunden. Damals – im Juli 1988 – als wir zu Viert mit einem Audi Coupé und Motorrad die grosse weite Welt eroberten, war ich das erste Mal am Gardasee. Mit Zelten, Luftmatratzen, jeder Menge Dosenfutter und Campingkocher im Gepäck starteten wir damals unsere Reise. Wir waren gut vorbereitet und selbst die schlimmen Benzinpreise in Italien (1,70 DM pro Liter), schreckten uns nicht ab. Wir mussten unbedingt vor Italien tanken. Dessen waren wir uns bewusst. Ziel damals war der Campingplatz „Continental“ bei Bardolino.

Erstaunlicherweise gibt es den Platz auch heute noch, wenn auch etwas verändert. Trotzdem der Campingplatz jetzt im Februar noch geschlossen war, konnte ich durch die Tore gut die Terrasse der Pizzeria sehen, in der uns „Schlürfi“ damals unsere Pizza servierte. Ich weiss nicht, wie der Knabe wirklich hiess, für uns was es einfach „Schlürfi“ und sein Name war Programm. Niemand anderes brachte es fertig mit einem solchen Elan und der Geschwindigkeit einer Weinbergschnecke das Essen zu bringen. Mit seinen Badelatschen schlich er – nicht ganz lautlos – zu den Gästen. Schlürfi war die Ruhe selbst. Ach, war das schön damals!
Und auch jetzt war es sehr schön. Die Sonne schien, der Himmel war blau und das Wasser plätscherte so schön. Wir blieben eine Weile am Ufer sitzen und schauten uns die inzwischen untergehende Sonne an, bevor wir weiter nach Verona fuhren.
In Verona war es toll! Unser Hotel lag direkt in der Altstadt, Restaurants und Sehenswürdigkeiten in direkter Nähe. Bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen genossen wir am Tag drauf unser Sightseeing und das Mittagessen draussen in der Sonne. Obwohl wir nur zwei Tage in Verona waren, fühlte es sich richtig nach Urlaub an.








Kaum wieder zurück in Zürich erinnerte mich zwei Briefe des Unispitals an meine bevorstehende Therapie. Zum einen der Brief mit dem Termin für das Aufklärungsgespräch und zum anderen der Brief mit den ersten Terminen für die Verabreichung der neuen Antikörper. Die Disposition der Onkologie hat schon einmal gezeigt, dass sie nicht die hellsten Kerzen waren und auch diesmal hatten sie es geschafft Termine zu vergeben, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. (Leute, wenn ihr Angst habt, dass aus euren Kindern nichts wird, weil sie vielleicht nicht so gut sind in der Schule, entspannt euch! Für einen Job in der Dispo reicht es allemal! Da werden solche Mitarbeiter gesucht.) Da hatten es die Pfeifen doch tatsächlich geschafft mein Aufklärungsgespräch auf Mittwoch, den 2. März und meinen ersten Termin zur Medikamentenabgabe auf den 28. Februar zu legen! Bei so viel Blödheit fehlten mir wirklich die Worte. Da der 28. Februar bereits am nächsten Tag war und am Sonntag kaum jemand telefonisch zu erreichen sein würde, teilte ich der Dispo meine Begeisterung für diese Glanzleistung per Email mit. So viel Doofheit regt mich auf. Mit dumm kann ich nur sehr schwer umgehen. Und es ist ja nicht so, dass die Damen in der Dispo eine schwere Aufgabe hatten: sämtliche Termine rund um die erste Dosis hatten wir vorher telefonisch besprochen! Am Freitag sollte die Sache starten, also brauchte es vorher das Aufklärungsgespräch und eine Blutabnahme. Das war doch nicht schwer? Ich war noch sehr freundlich in meiner Email, teilte den Damen aber unmissverständlich mit, dass der erste Termin zur Medikamentenabgabe am Freitag Vormittag zu sein hat. Punkt! Vielleicht liess ich noch das ein oder andere nicht ganz so freundliche Wort fallen… Das hat mich echt genervt. Nicht nur weil die so doof waren, sondern weil sowas zeigt wie gleichgültig Termine vergeben werden. Wieviele Leuten wären wohl ohne zu nachzufragen im USZ angerückt? Nach dem Motto „ja, wenn die mir die Termine so geben, soll das wohl stimmen.“ Das musste doch nicht sein! Son bisschen mitdenken, dass eine Therapie nicht vor Aufklärung und Einwilligung des Patienten erfolgen kann, war doch nicht zu viel verlangt? Die Leitung der Dispo antwortete mir am nächsten Tag, entschuldigte sich diverse Male und bestätigte mir meinen Termin am Freitag den 4. März um 14 Uhr. Am Vormittag war leider nichts mehr zu machen. Das war mir aber egal. Das mit dem Vormittag hatte ich sowieso nur so gesagt um sie zu ärgern. 🙂
Am Mittwoch, 2. März war ich bei einer Ärztin in der Onkologie und wurde umfassend über das Medikament und allen möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt. Mögliche Nebenwirkungen gab es nicht so viele. Bei gerade mal 2 % aller Patienten kam es bisher zu unschönen Nebenwirkungen, die sich in Form von Entzündungen bemerkbar machten. Während ich mit Pickeln noch gut leben könnte, klangen Darmentzündung, Lungenentzündung oder schwer entzündete Leber/Niere o. ä. nicht so klasse. Da ich in der Vergangenheit nie schwerere Reaktionen auf ein Medikament hatte – vom Bluthochdruck mal abgesehen – machte mir das neue Mittel keine Sorge. Frau Doktor bestätigte mir nochmals, dass sie gute Voraussetzungen für die Behandlung bei mir sähen – schliesslich wies ich 30 % Zellen auf, die mit dem PD-L1 Protein versehen waren. Das sei recht viel und genau dieses Protein brauchte es für diese Behandlung. Sie klang sehr zuversichtlich und ich hoffte einfach, dass meine Zellen sich diesmal einfach fügen würden und nicht wieder einen Sonderweg beschreiten werden.
Freitag war es also soweit. Mein Blut war ok und ich bekam die erste Gabe von dem teuren Saft. Bevor ich angestochen wurde, kam eine Onkologin zu mir. Ob ich noch Fragen hätte? „Äh, nein!?“ Die Kollegin, die meinen Port anstach, fragte mich auch nochmals, ob sie mir noch irgendwas erklären sollte. Nachdem dann auch noch die Cancer Care Nurse antrabte, wurde mir doch etwas unheimlich. Hatte ich irgendwas verpasst? Warum machten die plötzlich so ein Aufheben? Ich meine, es passierte doch gar nichts schlimmes mit mir, man wechselte lediglich das Medikament. Sollte ich mir vielleicht mehr Gedanken machen, als ich mir machte? Eigenartig. Mit der Cancer Care Nurse unterhielt ich mich etwas länger. Die ist sehr nett und wir kennen uns ja auch schon seit 2015. War richtig gut, auch wenn ich ihr mal wieder einen vorgeheult habe. Aber hey, dafür ist sie angestellt! 😉
Nach knapp einer Stunde war ich fertig und fuhr mit dem Velo nach Hause. Mir ging es gut, keine besonderen Vorkommnisse. Am späten Nachmittag wurde ich etwas müde. Das lag aber vermutlich nicht an dem Medikament, sondern eher an der Tatsache, dass die Anspannung von mir abfiel. Die erste Dosis hatte ich nun intus und jetzt soll sie verdammt nochmal tun wofür sie bezahlt wurde: den Krebs vernichten!
Nächste Woche Freitag bekomme ich die zweite Dosis. Am Mittwoch vorher muss ich zur Blutabnahme. Gemerkt habe ich von dem Medikament bisher noch nichts. Also keine unerwünschten Vorkommnisse. Ich bin gespannt was mein Blut sagt und hoffe, es sieht nichts was ich nur noch nicht spüre. Wenn die zweite Dosis auch spurlos an mir vorübergeht, werden wir endlich die Flüge für unsere Wanderferien in Wales buchen. Das ist der Vorteil, dass die Chemo nicht benötigt wurde: ich kann die Ferien machen. Und ich freue mich riesig!!! 🙂
Bis bald
Anja