Die letzte Chemo ist überstanden!

Am 24. Juli war es endlich soweit: Um 8.30 Uhr schritt ich zu meiner letzten Chemotherapie. Ich freute mich auf den Tag. Und das, obwohl ich wusste, dass es mir die Tage danach gar nicht gut gehen und ich müde und abgeschlagen sein würde. Die Stimmung war diesmal aber eine ganz andere – ich wusste ja, dass es das letzte Mal war. Vorbei das stundenlange Sitzen in der Tagesklinik im Nord 1 des Unispitals!

Ich fühlte mich nach der langen Zeit schon fast zum Team dazugehörig. Wenn dem so wäre, wäre ich wohl auch zur Mitarbeiterin des Monats Juli gekürt worden. Warum? Bei meinem letzten Auftritt (bei der 5. Chemotherapie) wurde mir eine Chemo-Mitstreiterin auf den Hals gejagt – ich solle mal mit ihr reden. 🙂 Diese Dame hatte – so wie ich – grottenschlechte Venen und wollte aber leider nichts von einem Port wissen. Der Pflege war die Einlage eines Portes aber sehr wichtig, da ihre Venen nicht nur schlecht, sondern auch schon sehr kaputt waren. Die Cancer-Care-Nurse fragte mich deshalb, ob ich mit ihr reden und sie von den Vorzügen überzeugen könne. Klar konnte ich das! Die Dame war tatsächlich ein sehr harter Brocken und ich habe bestimmt 1 Std. auf sie eingeredet (nein, sie blutete danach nicht aus den Ohren!). Schlussendlich willigte sie in den Eingriff ein und heute erfuhr ich, dass sie es auch durchgezogen hat und jetzt richtig happy mit ihrem Port ist. Perfekt! Auftrag erledigt. Meine heutige Pflegerin dankte mir ganz herzlich für den Einsatz und meinte, sie schicke mir jetzt vielleicht öfter wen vorbei. Danach spendierte sie mir eine Fanta. Auch nicht so schlecht.

Die heutige Therapie dauerte wieder „normal“ lange (5.5 Stunden), denn die Behandlung mit dem Avastin wurde heute wieder fortgesetzt. (Das ist dieses Antikörperzeug, das letzte Mal weggelassen wurde, um die Heilung meines Ellenbogens nicht zu behindern.) Um 14.30 Uhr war ich endlich fertig und bekam ein kleines Geschenk für die absolvierte Chemotherapie überreicht: einen freundlichen Schutzengel! Aus einer grossen Schachtel konnte ich meinen Favoriten frei wählen und dieser hier fiel mir spontan ins Auge. Warum wohl? 🙂

Mein Freund hat mich am Spital abgeholt und nach Hause gefahren. Wie immer nach der Therapie, war ich sehr müde und legte mich auf Sofa. Die Hausarbeit und den allfälligen Einkauf erledigte er. Ausserdem wurde ich mit Essen und Tee versorgt. Sooo schlecht war es nicht, „krank“ auf dem Sofa zu liegen… Die Macht über die Fernbedienung des TV hatte ich auch.

Die nächsten Tage waren ätzend. Müde, dieser fürchterliche, metallische Geschmack im Mund… immer wieder sagte ich mir: es war das letzte Mal! Zumindest vorerst, wer weiss schon, was mich in Zukunft erwartet? In drei Wochen gehe ich wieder in die Tagesklinik. Die Chemo ist zwar vorbei, aber die Immuntherapie mit den Antikörpern geht nahtlos weiter – wie gehabt, alle drei Wochen. Diese Therapie dauert dann aber keine 5-6 Stunden, sondern die Infusion läuft nur eine halbe Stunde. Insgesamt kann ich wohl mit einer Stunde Aufenthalt rechnen. Und da komme ich auch schon zu meinem ersten Problem: wie komme ich dahin? Bisher war es sehr einfach: jemand hat mich morgens ins Spital gebracht und jemand anderes hat mich am Nachmittag wieder abgeholt. Und jetzt? Jetzt müsste mich jemand bringen, am besten warten und mich eine Stunde später wieder abholen. 🙁 Völlig bescheuert. Oder ich muss doch mit dem Bus/Tram fahren. Da stellt sich mir direkt die nächste Frage: wie lange habe ich noch ein angeschlagenes Immunsystem? Ab wann kann ich mich wieder halbwegs sicher unters Volk wagen? Arbeiten wäre ja auch mal wieder was – also so vor Ort im Büro und so… Es sind ganz schön viele Fragen, die ich habe.

Ein nächstes PET-CT habe ich am 27.8. Danach habe ich ein Gespräch mit meinem Arzt und wir werden besprechen, wie es weitergeht. Was den Krebs betrifft, kann ich nicht mehr tun als abzuwarten.

Inzwischen ist August und der dritte Urlaub ist an mir vorbeigegangen. Geplant war, die gewonnene Reise einzulösen und die Rundtour auf der „Grand Tour of Switzerland“ zu machen. Abgesagt wegen Krankheit. 🙁 Da wir nicht immer alles absagen und zu Hause hocken wollten, haben wir übers Wochenende unsere eigene Tour geplant: eine kleine, aber feine Rundtour mit dem Auto. (Also relativ sicher – nur die eigenen Viren im Gepäck). Von Zürich aus sind wir nach Österreich gefahren, haben uns an der vorbeiziehenden Landschaft auf der Silvretta-Hochalpenstrasse erfreut und gegen Abend unser Tagesziel in Innsbruck erreicht. Ein gemütlicher Tag und da wir im Auto sassen, war uns die Aussentemperatur ziemlich egal. Dank Klimaanlage merkten wir von 33 Grad im Schatten eher wenig. Am nächsten Morgen führte uns die Route über den Brennerpass. Auf Passhöhe legten wir einen längeren Stop ein. Nein, nicht der Aussicht wegen. Wir haben in Kultur gemacht. OUTLET stand in grossen Buchstaben an dem Gebäude, hinter dem wir eine Kulturstätte vermuteten. Schliesslich zog das Gebäude Scharen von Menschen an. Wir wussten es wirklich nicht besser, ehrlich! Entsprechend gross war die Enttäuschung, als wir erkannten, dass wir in einer sehr grossen Shopping Meile gelandet waren. Naja, und wo wir schon mal da waren….

Nachdem die Taschen im Auto verstaut waren, fuhren wir weiter – über den Jaufenpass (2.094 m) nach Meran. Wer jetzt an Sightseeing denkt, irrt. Wir haben in Meran lediglich eine Wurst mit Pommes gefuttert. 🙂 Einkaufen macht ja so wahnsinnig hungrig und wir hatten in dem Shopping Center zu viel Zeit vertrödelt, als dass es noch für eine ausgiebige Stadtbesichtigung gereicht hätte. Wir fuhren also zeitig weiter. In Serpentinen führte die Strasse rauf aufs Stilfser Joch (2.757 m). Die Streckenführung war sehr beeindruckend, vor allen Dingen wenn man berücksichtigte, dass dort sogar Linienbusse rauffuhren. Via Umbrailpass (2.501 m) ging es runter ins Val Müstair. Danach fuhren wir über den Ofenpass (2.149 m) bis Zernez. Als letzter Alpenpass stand uns nun nur noch der Flüelapass (2.383 m) bevor.

Ein richtig schöner Tag ging leider auch irgendwann zu Ende. Bevor wir nach Zürich zurückfuhren, kehrten wir bei einer Freundin in Grüsch ein. Gestärkt (lecker Fleisch vom Grill mit Salat) fuhren wir am Abend weiter nach Zürich. Es war dunkel und es regnete. Nicht so schön. Eher sehr trostlos. Als ich so in den nächtlichen Regen schaute, kreisten bei mir die Gedanken um meinen Kollegen Krebs. Ich beschäftigte mich mit der Frage wie es wohl weitergehen würde. Ist er vielleicht doch noch kleiner geworden? Oder grösser? Wie gross ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er sich verbreitet hat? Habe ich Angst oder sah ich die Lage nach abgeschlossener Chemo etwas entspannter? Ich stellte fest: ich habe fürchterliche Angst davor, dass irgendwann jemand kommt und mir sagt, dass Kollege Krebs nicht mehr im Lymphsystem sitzt, sondern die Leber oder sonst ein Organ befallen hat. Und passend zum Wetter „regnete“ auch ich Sturzbäche… Das hatte ich nun schon eine ganze Weile nicht mehr. Es wird wohl nicht ausbleiben, dass mich das Thema in den nächsten Monaten mehr oder weniger beschäftigt. Ich muss lernen damit umzugehen. 🙁

Heute am 4.8. war ich zur Kontrolluntersuchung meines Ellenbogens in der Traumatologie im USZ. Erst zum Röntgen, danach noch ein kurzes Gespräch mit dem Arzt. Mein Ellenbogen sieht klasse aus und macht sich richtig gut. Da ich so schnell als möglich diese Schiene loswerden möchte, habe ich gefragt, wie lange ich den Mist noch tragen muss. Die Antwort war: „Wenn Herr A. (der Operateur) von 3 Monaten geredet hat, dann meinte der das auch so. “ Ich schaute ihn entsetzt an und sagte: „3 Monate???? Wer sprach je von 3 Monaten? Der hat von 8 Wochen geredet!“. Ich war geschockt. Kein guter Zeitpunkt für eine Blutdruckmessung, die ich immer noch regelmässig ausführen und protokollieren muss…. Zum Glück stellte sich das Ganze als ein Missverständnis raus. Und da Herr A. gerade in der Sprechstunde nebenan war, kam er kurz vorbei und schaute sich sein Werk auch noch selber an. Er war sehr zufrieden und weil es so gut lief, fragte ich direkt nach ab wann ich mein Velo wieder benutzen könne. 😉 Ich dürfe schon, wenn ich könne, aber aufpassen müsse ich. Umfallen wäre eher nicht so gut. Naja, das war ja auch nicht mein Plan. Auch wollte ich nicht direkt heute aufs Velo steigen. Aber die Aussicht, dass es möglicherweise doch schneller geht als bisher angenommen, heiterte mich durchaus auf. Und da mein Arm so gut dran war, konnte meine Armschiene verstellt werden: ich darf den Arm auch strecken. Naja, theoretisch. Praktisch geht das nämlich noch gar nicht. Aber bald! Ich bin da sehr zuversichtlich! Der nächste Kontrolltermin ist in 4 Wochen. Dann bin ich fit!

In diesem Sinne… liebe Grüsse aus diesem Theater und bis bald
Anja

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