„Am Montag 29.6.2020 ging ich zur Blutabnahme …“ so oder so ähnlich müsste dieser Beitrag eigentlich beginnen. Tut er aber nicht, ich steige ein paar Tage früher ein:
Am Samstag, 27.6.2020 war ich bei schönstem Wetter mit meinem E-Bike unterwegs, um einige Dinge zu erledigen. Um ca. 15 Uhr war ich fertig und machte mich auf den Heimweg: ich nahm mein Velo, befestigte mein Handy am Lenker (Navi!), verstaute meine Tasche im Korb, stieg auf, rutschte mit dem Fuss vom Pedal ab, strauchelte bei dem Versuch mich abzufangen und fiel zur Seite um. „Oh Gott, wie peinlich!“ schoss es mir durch den Kopf, während ich langsam fiel und realisierte, dass ich den Sturz nicht mehr würde abwenden können. Patsch, da lag ich auch schon wie Omi auf der Seite – jung und sportlich schien mir sowieso schon irgendwie länger vorbei. Eine Frau eilte mir schnell zu Hilfe und zog das Velo unter mir hervor. Ich versuchte mich aufzurappeln, merkte jedoch, dass mein linker Arm überhaupt nicht mitmachte. „Das ist jetzt aber nicht wahr!“ dachte ich, während ich entsetzt auf meinen Arm starrte. Bewegen, umdrehen oder aufrichten ging alles nicht, also blieb ich erstmal bäuchlings liegen. Die Frau sagte noch irgendwas auf Spanisch (sie sprach kein Deutsch) und lief los um Hilfe zu holen. Sehr schnell kamen drei Helfer und kümmerten sich weiter um mich. Ich kam mir etwas blöde vor, lag ich die ganze Zeit auf dem Bauch. Während einer der Helfer die Ambulanz anrief, bat ich die anderen einen Regenschirm zu organisieren, damit mir in der Sonne nicht noch die Birne verschmorte. Ausserdem brauchte ich mein Handy, da die Kinder an diesem Wochenende bei mir waren und es irgendwie nicht danach aussah, als würde ich in Kürze wieder zu Hause sein – ich konnte dabei zusehen, wie mein Arm anschwoll. Ausserdem nahmen die Schmerzen schnell zu und mein kleiner Finger wurde bereits taub.
Kurze Zeit später tauchte die Polizei auf und begrüsste mich freundlich. Meine Schmerzen waren inzwischen so stark, dass ich es mir nicht verkneifen konnte „ein Krankenwagen wäre mir lieber“ zu erwidern. „Der ist auf dem Weg“ versicherte mir der Polizist lachend und wir erledigten dann die Formalitäten. Ich bäuchlings auf dem Boden liegend, die anderen um mich herum stehend. Einer anwesenden jungen Frau erklärte ich, wo sie meine Papiere und auch Schlüssel finden konnte. Das ging ratzfatz, Frauen haben sowas einfach drauf. Während Männer sich gerne in den scheinbar unergründlichen Tiefen einer Handtasche verirren, finden sich Frauen auch in fremden Taschen sehr schnell zurecht. Die Polizei bekam meine ID, für die Ambulanz wurde die Krankenkassenkarte gesichert und die beiden rumstehenden Helfer bekamen meine Schlüssel um mein Velo abzuschliessen. Alle waren beschäftigt und ich litt lautstark vor mich hin!
Wenige Minuten später traf die Ambulanz ein. Nachdem sie abgeklärt hatten, dass ich voll ansprechbar war (das war kaum zu überhören) und mir bis auf den kaputten Arm und einer kleinen Macke am Knie nichts weiter fehlte, drehten sie mich zunächst um. Mir war gar nicht wohl bei der Sache, jedoch war die Aussicht, die Menschen um mich herum nicht mehr aus der Regenwurmperspektive sehen zu müssen, sehr verlockend. Nachdem ich endlich sass, verband man meinen linken Arm und stellte ihn ruhig. Anschliessend halfen sie mir aufzustehen und ich durfte mich auf die Liege im Krankenwagen legen. Das war deutlich bequemer und ich konnte meine freundlichen Helfer erstmals richtig anschauen. Nachdem mein rechter Arm mit einem Zugang versehen war und ich endlich ein Schmerzmittel bekam, fuhren wir los – auf meinen Wunsch ins USZ. Dort hatte ich schliesslich eine dicke Krankenakte liegen. Die war noch ausbaufähig!

Meine erste Fahrt im Krankenwagen. Ganz bequem eigentlich und während der Fahrt konnte ich mich mit dem Sanitäter unterhalten. Auf meine Nachfrage, was er zu meinem Arm meinte, kam leider auch nichts besonders positives – der Arm sähe eher nicht so gut aus, meinte er. Kurze Zeit später trafen wir im Notfall des USZ ein. Wie bei Greys Anatomie wurden wir schon erwartet und ich wurde direkt reingefahren. Nix mit lange warten, wie das ja sonst üblich ist. Inzwischen wurden die Schmerzen wieder stärker und ich bekam die nächste Dröhnung. Das Röntgen meines Armes war unmöglich, da ich mich nicht bewegen konnte. Also ging es ins CT. Das Ausmass der Verletzung war schnell klar: Ellenbogen sauber ausgekugelt! Die starken Schmerzen kamen daher, weil der Knochen nicht nur daneben, sondern auf dem anderen Knochen drauf lag. Dadurch wurde das Gewebe sehr schmerzhaft gedehnt. Der Arzt erklärte mir, dass man mir den Ellenbogen unter einer kurzen Vollnarkose einrenken würde. Ja, super, klang toll… nicht reden, machen!!!!
Gefühlt zwei Stunden später wurde ich in Schockraum 3 geschoben. Es hat nicht wirklich so lange gedauert, aber da ich inzwischen fürchterliche Schmerzen hatte und keine Drogen mehr halfen, hatte ich es eher eilig. Die Anästesie wartete bereits auf mich und verschwendete wertvolle Zeit mit Reden. Ich sagte dem Anästesisten, dass wir nicht durchs Quatschen Freunde würde, sondern er auf meiner Sympathieskala nach ganz oben rutscht, wenn er mich endlich schlafen legt. Er lachte und meinte, er müsse wenigstens so tun, als würden wir ein vernünftiges Narkose-Vorgespräch führen. Dann kam endlich die Sauerstoffmaske und ich durfte schlafen. Bevor ich wegschlummerte, teilte ich noch schnell mein aktuelles Gewicht mit… eine grüne Kollegin dankte für die Info und dann schlief ich ein.
Es war 17.30 Uhr, als ich aufwachte und in den Aufwachraum geschoben wurde. Mein Arm war eingegipst und schmerzte zum Glück nicht mehr ganz so stark – vermutlich lag das auch am verabreichten Morphium. Später kam ich auf Station Süd B der Traumatologie, bekam etwas zu essen und konnte einige Telefonate führen. Die Kinder waren inzwischen bei Papi und somit war alles gut. Eine Freundin brachte mir zu späterer Stunde neue Kleidung und alles andere, was man im Spital so brauchte. Ich wollte nach dem ganzen Stress auch nur noch schlafen.
Die Nacht war nicht ganz so klasse und der Arm schmerzte, als ich am Sonntagmorgen erwachte. Ich wusste nicht wie ich den blöden Arm halten sollte. Der Gips wog eine Tonne und überhaupt fühlte ich mich sehr hilflos. Nachdem mir die Dame von der Hotellerie mein Brot geschmiert und kleingeschnitten hatte, konnte ich wenigstens etwas essen. Gerne hätte ich auch den Joghurt gegessen, scheiterte aber am Verschluss und musste erst auf helfende Hände warten. Es schien schon am frühen Morgen ein ganz toller Tag zu werden. 🙁
Nach dem Frühstück kam ein Arzt vorbei und erklärte mir, dass mein Ellenbogen zwar eingerenkt wurde, es aber noch eine Operation braucht um meine Bänder zu flicken. Diese wurde direkt für den folgenden Tag (Montag) geplant, weshalb ich nicht nach Hause ging, sondern noch blieb. Zeitlich kam mir der kurzfristige OP-Termin sehr entgegen. Schliesslich hätte ich am 30.6. eigentlich meine Chemo, die wegen dieser Armgeschichte nun verschoben werden musste. Je früher die Chemo nachgeholt werden könnte, umso besser.
Ich kürze an dieser Stelle etwas ab, das Schreiben als einarmiger Bandit ist nicht wirklich einfach:
Montag, 9 Uhr ging es in den OP und nach gut 1.5 Std. war ich geflickt. Am Dienstag wurde das Werk das erste Mal ausgepackt und begutachtet, der Schlauch zum Absaugen des Wundsekrets gezogen und mir die Erlaubnis erteilt, am Mittwoch um 10 Uhr das Lokal endgültig zu verlassen. Mir ging es soweit gut, wenn ich ignorierte, dass mein Arm sehr schmerzte, eine umfangreiche Farbpalette zu bieten hatte, kaum beweglich, dafür aber sehr geschwollen war. Egal, hauptsache ich durfte erstmal raus hier!
Der neue Termin für die Chemotherapie wurde auf Freitag, 3.7. gelegt, weshalb ich schon am Donnerstag, 2.7. wieder zur Blutabnahme im Nord 1 antraben durfte.
Es gab viel zu organisieren: Alle Stellen schrien bereits nach der Schadens-Nummer der Unfallversicherung, der ich den Fall bisher nicht mal richtig melden konnte, da ich im Spital lag. Spitex, Polizei, USZ… alle wollten was von mir. Lästig! „Glück“ hatte ich bei meiner Aktion, weil ich im Stand umgefallen war. Ohne Fahrt war es nämlich kein Verkehrsunfall, für den ich noch eine Busse kassiert hätte. Immerhin etwas.
Am Freitag fuhr mich mein Freund ins Unispital, wo ich meine 5. Chemo erhielt. Auf die Gabe des Avastin verzichtete man, da das die Wundheilung beeinträchtigt und das nicht so gut wäre im Moment. Mein behandelnder Arzt der Gynäkologie kam auch noch vorbei. Am 27.8. wird es ein PET-CT geben, um den Stand nach der Chemo zu dokumentieren. Vielleicht ist dann ja doch etwas gegangen! 🙂
Nach der Therapie bin ich nun wieder gewohnt schlapp und müde. Jeden zweiten Tag kommt die Spitex und versorgt meinen Arm, der inzwischen so aussieht:



Zeitweise ist mir einfach nur zum Heulen und ich könnte mich stundenlang dem Selbstmitleid hingeben. Plötzlich gar nichts mehr zu können, macht die ganze Geschichte überhaupt nicht einfacher. Inzwischen fühle ich mich nicht mal mehr halbwertig und wenn ich daran denke, dass ich meine Armschiene insgesamt 8 Wochen tragen muss, wird mir schlecht. Ein Dasein als RoboCop hatte ich mir irgendwie cooler vorgestellt. 🙁

Fazit nach dieser Sache: nur Krebs kann ich offenbar nicht!
Liebe Grüsse und bis bald
Robo-Anja