Chemotherapie: die Vierte

Inzwischen starten die Berichte über die Chemotherapie immer gleich. Mit Montag! So auch diesmal:

Am Montag 8.6.2020 war ich, dank Shuttledienst durch eine gute Freundin, um 10.45 Uhr im Spital zur Blutabnahme. Diesmal war die Sache jedoch nicht in 10 Minuten erledigt, sondern dauerte etwas länger. Mein Port wurde nach der Einlage vor 3 Wochen, nun zum ersten Mal angestochen. Die Stelle war immer noch etwas geschwollen und dann ist es schon etwas schwieriger den Einstich richtig zu platzieren. Nach dem zweiten Versuch klappte es aber hervorragend und das Blut floss in Strömen. Und das Ganze schmerzfrei, da ich vorher brav ein Emla-Pflaster aufgeklebt hatte, welches die Haut betäubt. Alles gut gelaufen. Anschliessend musste ich etwas warten, da ich noch die Ärztin sprechen wollte. Ich hatte nämlich mal wieder eine Blasenentzündung – ist tatsächlich jetzt ca. 9 Monate ohne gegangen, aber nun war sie wieder da. Nur leicht, aber trotzdem blöd, die musste verschwinden! Schliesslich konnte jeder Infekt Fieber hervorrufen und wenn das passierte, musste ich ins Spital einrücken. Unnötig zu erwähnen, dass ich da kein Interesse dran hatte?

Die Ärztin untersuchte sofort meine Nieren. Eines der in der Chemo enthaltenen Medikamente geht auf die Nieren. Ich versicherte ihr, dass ich keine Probleme mit den Nieren habe. Nach den letzten Jahren habe ich genug über meine Nieren gelernt und merke vermutlich bereits, wenn sich der PH-Wert im Urin änderte. Ich kannte mich mit meinen Nieren wirklich aus und konnte ganz klar sagen, dass dort alles in Ordnung war. 🙂 Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass mir auch beim leichten Stoss auf die Nieren nichts schmerzte, gab sie mir ein Antibiotikum und sagte mir, dass sie mich noch wegen der Einnahme anrufen würde, wenn mein Urin kontrolliert sei.

Danach fragte ich noch nach einer Zwischenkontrolle. Eingangs hiess es ja, dass sie nach 3-4 Zyklen eine erneute Bildgebung durchführen wollten, um zu sehen, ob sich mein Krebs überhaupt von der Therapie beeindrucken lässt. Sie notierte sich das und versicherte mir, dass Sie das Projekt anmelden würde. Ich bekäme in den nächsten Tagen einen Termin per Post. Nach 45 Minuten konnte ich gehen und meine Freundin brachte mich nach Hause.

Unterwegs erhielt ich einen Anruf aus dem Spital. In einem der Blutröhrchen sei das Blut geklumpt und nicht verwendbar. 🙁 Mist! Erneut jemanden aufbieten, der mich ins USZ fährt und wartet, wollte ich nicht. Also verabredete ich, dass ich am nächsten Morgen einfach früher komme. Für das grundsätzliche Anmischen der Chemo reichten die anderen Röhrchen, das letztendliche „Go“ gäbe es dann halt am Dienstag erst nach Kontrolle der fehlenden Werte. Damit konnte ich leben. Meine Urinprobe war inzwischen auch ausgewertet, ich sollte das Antibiotikum am Abend nehmen.

Am Nachmittag tippelte ich zur Physio, was nach 1 Woche in Osnabrück sehr gut tat. Mit einem Auto vor der Haustür bewegt man sich ganz klar weniger. Das Wetter war super und es lief sich sehr gut. Mein Schrittziel hatte ich am Montag mal wieder erreicht.

Am frühen Abend wurde mir etwas kalt und mein Kopf wurde warm. Nicht gut. Nachdem ich das bunte Treiben meines Körpers eine Weile beobachtet hatte und es mir nicht besser wurde – ich hatte auch sehr kalte Füsse, also eher ein Zeichen, dass die Temperatur noch steigt – holte ich das Fieberthermometer hervor und mass widerwillig meine Temperatur: 37.7 Grad, ging noch. Alles unter 38.5 war ok. Um das Unheil gar nicht erst heraufzubeschwören, warf ich 1 Tablette Paracetamatol ein und verbannte das Fieberthermometer wieder im Schrank. So konnte ich nämlich auch verhindern, dass ich später eine Temperatur höher 38.5 Grad messen würde. Nach ca. 1 Stunde ging es mir dann auch direkt besser. Perfekt. 😉

Am Dienstag, 9.6.2020 war Chemotag. Mit das Blödeste an diesem Tag ist eigentlich schon die Tatsache, dass ich dann immer sehr früh aufstehen muss. Da die Chemo knapp 5.5 Stunden dauert, beginnt sie in der Regel sehr zeitig. Und diesmal musste ich noch etwas früher dort sein, da ja noch Blut genommen werden musste. Also bin ich um 6 Uhr aufgestanden, habe mich zum wach werden und die Dusche gequält und danach gut gefrühstückt, mein Mittagessen vorbereitet, meine Sachen gepackt und um 7.30 Uhr stand ich pünktlich auf die Minute, parat vor der Tiefgarage. Eine liebe Freundin aus der Nachbarschaft hat mich auf ihrem Weg zur Arbeit mitgenommen und am Unispital abgesetzt.

Mein erhöhte Temperatur am Vortag sprach ich kurz an, verschwieg aber, wie ich die Temperatur in Schach gehalten hatte. 😉 Alles musste man ja nun nicht erzählen. Mein Port wurde angestochen (diesmal klappte es sofort), das fehlende Röhrchen wurde abgezapft und das Blut zur Untersuchung ins Labor gebracht. Nach 2 Stunden Warterei lagen meine Blutwerte vor. Mein CRP-Wert war auf 67 angestiegen, es lag also irgendwo ein Infekt vor. Vermutlich war es die Blasenentzündung, zumindest war das sehr naheliegend. Da ich aber nun am Montag das Antibiotikum genommen hatte, sollte der Spuk hoffentlich wieder verschwinden und mich nicht weiter kümmern müssen.

Die Chemo war genauso langweilig wie alle anderen davor auch. Zwischendurch schaute mein Psychodoc vorbei und wir unterhielten uns kurz. Es gab nichts besonderes zu berichten, mir ging es insgesamt recht gut. Ich sprach aber dennoch an, dass demnächst eine Kontrolle stattfinden würde und mich das nicht völlig kalt lässt. Was, wenn die Chemo nicht den gewünschten Erfolg bringt? Was, wenn der Krebs unter der Therapie trotzdem einfach weiter fortgeschritten ist? Ein solches Ergebnis könnte einen etwas tieferen Fall verursachen….

Ich höre schon einige Leser dieser Zeilen schreien: „du musst nicht so pessimistisch sein, das kommt alles gut, du darfst nicht an sowas denken!“. 🙂 Und ich muss dem widersprechen: ich bin nicht pessimistisch, ich bin Realist! Es entspricht einfach nicht meinem Naturell nur an sonnige Bilder zu glauben, um dann später umso tiefer zu fallen. Ich befasse mich lieber mit allen möglichen – auch negativen – Szenarien, die evtl. passieren könnten. Das heisst für mich aber nicht automatisch, dass ich erwarte, dass sie eintreten. Ich habe schliesslich auch nicht deshalb eine Haftpflichtversicherung, weil ich davon ausgehe, dass ich mit meinen Kindern die halbe Strasse verwüsten werde und Schäden in Millionenhöhe verursachen werde – die die Versicherung dann übernehmen müsste. Ich habe die Versicherung aber trotzdem, weil so etwas – vielleicht nicht ganz so krass – passieren könnte und ich vorbereitet sein muss. Will sagen, nur weil ich auch über mögliche negative Entwicklungen nachdenke, heisst es für mich nicht, dass ich nicht an ein gutes Gelingen glaube!

Nachdem mein Arzt weg war, habe ich zu Mittag gegessen und anschliessend bin ich wohl eingeschlafen. Dieses Zeug machte einfach wahnsinnig müde. Um 15.15 Uhr war ich fertig mit der Chemo und konnte gehen. Ein Nachbar aus meinem Haus holte mich mit dem Auto ab. Das ist wohl das Beste am Chemotag: endlich gehen zu können und nach Hause zu schleichen. Aufs Sofa! Ich hielt mich zu Hause noch relativ gut und irgendwie war ich auch gar nicht so kaputt wie auch schon. Um 22 Uhr bin ich ins Bett gegangen und die Nacht habe ich eher unruhig geschlafen. Keine Ahnung warum. Ich bin am Mittwoch (also Gestern) sehr früh aufgewacht und fühlte mich ziemlich fit.

Nach dem Frühstück habe ich einige Emails und Telefonate erledigt. Ich bemerkte, dass mir besonders das Schreiben von Emails eher schwer fiel. Es war nicht wirklich möglich, komplizierte Sätze zu formulieren. Ausserdem zitterten meine Hände zwischendurch. Chemobrain! Das würde die nächsten Tage verschwinden. Wer also von mir eine etwas wirre Nachricht erhalten hat, möge mir verzeihen. 🙂 Der Tag verlief ganz gut und ich war erstaunlich wach – wacher als nach den ersten 3 Runden Chemo. Eigentlich hatte ich auch vor, eine Runde spazieren zu gehen. Schade, schade, fing es an zu regnen. Da konnte man einfach nichts machen! (Erspart mir bitte jegliche Kommentare zum Thema „es gibt kein falsches Wetter, aber richtige Kleidung…“)

Um 15.30 Uhr holte mich die Müdigkeit doch noch ein und ich verzog mich aufs Sofa. Lange hielt ich das TV-Programm nicht aus, dann schlief ich ein. Wirklich richtig wach war ich erst wieder am Abend um 20.30 Uhr. Na super, doch noch den Tag verschlafen. 🙁

Heute begann der Tag mit einem Telefon mit meiner Hausärztin. Ich hatte ihr Gestern meine Blutdruckwerte geschickt und ihr ausserdem gesagt, dass die Kombination der verabreichten Medikamente Wassereinlagerungen hervorriefen. Ich selber merkte es in den Händen und Handgelenken, meine Physio in meinen Beinen und meine Augen sahen es eindrucksvoll auf der Waage: + 2 kg. Also DAS ging ja gar nicht! Die Medikamente brachten sowieso noch nicht den gewünschten Erfolg. Ich persönlich war ja froh, dass bei mir ein Blutdruck unter 150/100 – 140/90 überhaupt wieder möglich war (ich mass sogar zwischendurch Werte von 131/82), aber die Ärztin war noch nicht zufrieden. Da diese Wassersache ohnehin gar nicht ging, verordnete sie mir nun Beta-Blocker. Das Rezept wird gefaxt, ich muss nachher mal ein Kind in die Apotheke schicken.

Meine Blutwerte wurden vom USZ inzwischen auch übermittelt, da dass wir auch diese besprechen konnten. Die Schilddrüsenwerte sind super und ich soll das verordnete Medikament weiter einnehmen. Meine Natriumwerte sind wohl eher schlapp. Dieser Umstand veranlasste die Ärztin mir etwas zu sagen, was ich im Traum nicht für möglich gehalten hätte: „falls Sie mal Lust auf SALZSTANGEN oder CHIPS haben, greifen Sie ruhig zu!“ Wow!! Chips auf ärztlichen Rat? Darf man sich da überhaupt drüber hinwegsetzen? Ich bin mir nicht sicher…

Wie geht es mir sonst? Eigentlich sehr gut. Im Moment bin ich natürlich etwas schlapp von der Chemo, aber in der Summe kann ich kaum klagen. Mein Haarausfall hält sich in Grenzen. Wimpern und Augenbrauen werden zwar langsam auch weniger, sind aber noch nicht ganz weg. Auf dem Kopf wächst es mehr, als dass es ausfällt. Da die Haarwurzeln aber ja nichts wirklich Brauchbares zu Tage fördern, rasiere ich die spiessenden weissen Haare regelmässig ab. Wenn ich im USZ auf der Tagesklinik bin, sehe ich häufig Mitstreiterinnen, die eher wie das Leiden Christi persönlich aussehen. Da stelle selbst ich fest, dass ich deutlich frischer aussehe. Auch das Personal im Spital findet mich in Anbetracht der Tatsache, dass ich regelmässig einen Chemiecocktail erhalte, ausserordentlich fit und munter. Entweder läuft da irgendwas nicht wie es soll oder ich bin tatsächlich sehr robust. Wir werden es mit der Verlaufskontrolle wohl erfahren.

Liebe Grüsse und bis zum nächsten Mal

Anja

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