Beginn der Therapie

Nachdem mich mein Arzt umfassend aufgeklärt hat, erläuterte er mir das weitere Vorgehen: Chemotherapie und anschliessend eine Immuntherapie. Klang alles gut. Was mich aber sehr belastete, war die Tatsache, dass das Ding nicht heilbar ist. Der Krebs sitzt nun quasi in meinem System und wird mich ab sofort mein Leben lang begleiten. Mittels Chemotherapie bringt man ihn hoffentlich zu Boden, so dass er so klein wird, dass er in bildgebenden Untersuchungen nicht mehr sichtbar ist. Der Kollege wird aber nie verschwinden, sondern muss immer im Auge behalten werden. Das ist schon sehr heftig zu wissen.

6. April 2020: Blutabnahme für die Chemo, Gespräch mit der Onkologie

Heute hatte ich meine Voruntersuchungen für die Chemo (Blutabnahme, Blutdruck, Urinprobe …) und das Aufklärungsgespräch durch die Onkologie.

Zuerst versuchte man mir Blut abzunehmen. Versuchte! Meine bekannt schlechten Venen verhinderten das sehr erfolgreich. Dann wurde eine andere Kollegin geschickt und versuchte sich am Gleichen. Ohne Erfolg! Wieder hat mein Körper 2 Versuche an mein Blut zu gelangen, erfolgreich vereitelt. Ich war inzwischen gar nicht mehr gut drauf und jetzt noch meinen Blutdruck zu messen, war keine gute Idee. Wir verschoben das Ganze erstmal und ich sprach zunächst mit der Ärztin über die kommende Therapie.

Geplant sind 6 Zyklen Chemotherapie, alle im Abstand von 3 Wochen. Nach 4 Zyklen wird man eine erneute Aufnahme machen, um zu schauen ob die Therapie wie geplant anschlägt. Das war alles nichts Neues für mich, kannte ich diese Erläuterungen alle schon von 2015. Hellhörig wurde ich aber an der Stelle, als die gute Dame mir erklärte, dass ich diese Antikörper-Therapie voraussichtlich mein Leben lang geniessen darf! Und wieder erfuhr ich wie es sich anfühlt, wenn sich der Boden unter dir entfernt. Ich weiss nicht, ob ich direkt anfing zu heulen oder ob ich noch die Zeit hatte ungläubig zu gucken. Ich fühlte mich von einer Minute auf die andere von „das-ist-alles-nicht-so-schlimm-sondern-am-Anfang-und-früh-erkannt“ nach „du-bist-schwer-krank“ katapultiert. Das Projekt „Zervixkarzinom die Zweite“ begann irgendwie ziemlich scheisse.

Den Rest der Ausführungen hörte ich nur noch mit halbem Ohr. Kannte das andere auch schon alles. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, löcherte ich die arme Frau noch mit Fragen, die sie alle brav beantwortete. Zumindest darf ich trotz des Tumors meine Hormone gegen die Wechseljahrsbeschwerden noch nehmen. Bei dem ganzen Stress auch noch ständig schwitzen zu müssen, war keine schöne Vorstellung. Das bleibt mir aber zum Glück erspart.

Nach dem Gespräch erfolgt der 5. Versuch an mein Blut zu kommen und diesmal hat es geklappt. Aufgrund der schlechten Venen hat die Ärztin noch versucht mich kurzfristig auf den OP-Plan der Thorax-Chirurgie zu schieben, damit mir für die morgige Chemo ein Port eingebaut wird. Leider hat das nicht mehr geklappt. Obwohl das Spital sehr leer ist und nicht so viele Eingriffe gemacht werden, gab es keinen Slot mehr für mich. Ja nun, ich würde es überleben.

7.4.2020: erste Chemotherapie

Pünktlich um 8.30 Uhr stand ich im USZ parat für meine erste Chemo. Damit der Venenzugang gut läuft, hatte ich ausgiebig gefrühstückt und gut getrunken. Die Nacht war nicht ganz so toll, aber da ich schon seit Wochen nicht mehr gut schlafe, war das eher inzwischen normal.

Anders als in 2015 – damals musste immer erst Blut genommen werden und die Chemo angemischt, jetzt macht man das am Vortag – legten wir sofort los. Der Zugang funktionierte super und schnell floss die teure Suppe in mich rein. Ich hatte schon wieder vergessen, wie so ne Chemo von statten ging. Allerdings wurde ich schon beim Betreten des Zimmers wieder daran erinnert. Vorteile, wenn man sowas nicht zum ersten Mal macht, gibt es tatsächlich: man weiss, dass man sich nicht den Stuhl am Fenster (den mit der tollen Aussicht) nimmt, denn dort knallt später die Sonne rein. Ausserdem kennt man das Pflegepersonal und kann über gemeinsame Bekannte der Ärzteschaft lästern.

Während ich dort sass und vor mich hin döste (während der Chemo bekommt man öfter Antiallergie-Mittel die müde machen), besuchte mich die Cancer Care Nurse. Auch eine alte Bekannte. Ich fand es ganz schön sie zu sehen, habe ihr erstmal einen vorgeheult und mich dann gut mit ihr unterhalten. Diese Cancer Care Nurses (es gibt zwei im USZ) betreuen einen und sind quasi auch die Vorhut der Psychodoktoren. Man darf ihnen einen vorheulen. Ausserdem bereiten sie einen vorsichtig auf Dinge die noch kommen vor, informieren über Angebote wie Schminkkurse, Autogenes Training, Akupunktur und alles was einem helfen könnte. Gibt erstaunlich viel. Darüberhinaus helfen Sie bei Bedarf mit Formularen, wenn es zum Beispiel darum geht sich eine Perücke zu bestellen.

Haarverlust, auch ein Thema mit dem ich mich beschäftigen muss. Die Substanzen die meine Krankenversicherung teuer bezahlt, sorgen dafür, dass ich meine Haare wieder verlieren werde. Und obwohl ich weiss, wie es sich anfühlt, habe ich Mühe es mir überhaupt vorzustellen. Eine Perücke will ich diesmal glaub nicht. Letztes Mal fand ich es ohne Haare nicht so wirklich schlimm und mit Perücke ist es viel zu warm. Mal schauen wie ich das handhaben werde, es läuft mir ja nicht weg und ich kann zur Not immer noch eine Perücke besorgen. Ausserdem sagte eine Freundin schon zu mir „nimm doch die Alte, dann siehst du endlich wieder aus wie in deinem Pass!“. Da hat sie natürlich Recht, hatte ich doch damals Passbilder machen lassen mit Perücke. 🙂 Auch eine Art sich selbst wiederzufinden.

Die Chemo dauerte sehr lange. Um 15.30 Uhr wurde ich von einer Freundin abgeholt. Mir ging es gut, ich war lediglich etwas müde. Bei mir zu Hause tranken wir noch zusammen einen Kaffee und quatschten eine Weile. Das tat mir sehr gut. Telefonieren ist zwar auch sehr schön, aber mal wieder jemanden live und in Farbe vor sich zu haben, war wirklich super. Corona spielt mir nicht gerade in die Karten und es fehlt mir schon sehr, Menschen um mich zu haben. Dass mein Freund in Norddeutschland hockt und nicht kommen kann, macht es nicht besser.

Da es sich um einen öffentlichen Blog handelt, verzichte ich bewusst auf Namen. Selbstverständlich führe ich aber im Hintergrund Buch, wer was für mich tut … 🙂

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